Dieser Artikel ist der Auftakt einer ganzen Serie von Artikeln über Musiktheorie und Aufnahmetechnik unseres monatlichen Newsletters. Beginnen wir zunächst mit ein paar Akkordverbindungen und schauen wir mal, was wir mit ihnen so alles anstellen können.
Es ist nicht ungewöhnlich, eine neue Komposition mit ein paar einfachen Akkordverbindungen oder Melodielinien zu beginnen und es ist natürlich auch nichts falsch daran solange man sich vor Augen hält, was man damit anstellen kann und wie man sie weiter entwickeln soll. Aber erst einmal das Wichtigste zuerst: Wenn du ein Gitarrist bist und über Keyboards soviel Ahnung hast wie von Racketenforschung, vergib mir bitte die Tatsache, dass ich von Gitarren genau so wenig weiß. Ich werde versucht sein, nicht all zu sehr in die Keyboarddetails einzugehen, werde sie aber leider wohl nicht gänzlich vermeiden können. Aus diesem Grunde habe ich ein paar MP3-Beispiele beigefügt, welche deutlicher machen, was ich zu vermitteln versuche.
Als Keyboarder gehe ich dabei gerne von C-Dur aus, da es mit die einfachste Tonleiter auf der Tastatur ist. Um aber auch der Allgemeingültigkeit Rechnung zu tragen, werde ich auch eine tonartlose Version in römischen Nummern notieren. Das System der 'Studio-Notation' in wenigen Worten: Jede römische Nummer von I bis VII steht stellvertretend für einen Akkord. Der Grundton des Akkords findet sich über die entsprechende Note aus der wohl-temperierten Dur-Skala nach J.S. Bach. In C-Dur währen das also alle weißen Tasten der Klaviatur. Großbuchstaben stellen einen Dur-Akkord da (z.B. I, IV, V), Kleinbuchstaben einen Moll-Akkord. Erweiterungen wie 7. 9# oder sus4 werden einfach den Nummern nachgestellt. Hier ein paar Beispiele und die dazugehörigen Akkorde in C-Dur: I, V7, ii, VIj7 bzw. C, G7, d, Aj7. Wie du siehst, ist das doch gar nicht so schwer. That's all folks.
Nehmen wir doch mal an, du hast gerade die recht einfache Progression c, f, G7, c gefunden welche man auch als i, iv, V7, i notieren könnte. Im Moment klingt das noch ziemlich langweilig und du bist so kurz |..| davor, die Idee wieder zu verwerfen. Beispiel 1. Stopp! Gib nicht so schnell auf! Ich denke, wir können dieses einfache Pattern nehmen und ein wenig darauf Jammen: Beispiel 2 und Beispiel 3. Also, in welche Richtung soll der Song nun gehen? Entscheiden wir uns doch für die erste Version, da es schon immer unser Geheimplan war ein Nummer Eins Weltklasse Song für Funky Tuba zu schreiben. Nun, das funky Feeling der Progression ist eine reizvolle Idee, aber die Akkorde selbst sind noch nicht so ganz das, was wir uns vorstellen. Du weißt, es gibt keine definitive Regel für solche Sachen, aber probieren wir doch mal eine Art Richtschnur zu erstellen, wie man in so einem Fall vorgehen könnte:
Das Klangmaterial aus dem alle Akkorde bestehen entstammt der C-moll Skala. Also könnten wir schon einmal harmonische Erweiterungen einführen. Das ist natürlich eine brillante Idee, aber wir müssen ein wenig mit Verstand vorgehen. Also lass uns etwas ausprobieren: Wie wärs mal mit 'nem Bass? Nimm die i und spiele eine Art Walking-Bass mit dem Ziel, die i so lange wie möglich auch für die anderen Akkorde zu verwenden. Daraus lässt sich schon einmal eine weitere schöne Sache erkennen: Ein besonders gefälliger Klang kann dann erreicht werden, wenn zwei aufeinander folgende Akkorde so viele Töne wie möglich gemeinsam haben (mal von zwei identischen Akkorden, also einem abgesehen ;-)). Übrigens eine beliebte Technik unter Jazzmusikern, wenn es darum geht zu substituieren. Schauen wir mal, wie es bis jetzt klingt: Beispiel 4. Nicht schlecht. Betrachten wir das mal im Detail: Der erste Akkord ist einfach nur eine i. Die anderen werden aber so richtig interessant. iv7-6 mit Terzbass (iv7-6/3 /3 für Terzbass) gefolgt von einem geraden iv7-6 und einen V+ (+ oder auch aug bedeutet drei große Terzen übereinander gestapelt und ist somit das Gegenteil von - bzw. 0, wo drei kleine Terzen über einander gestapelt werden): c, f7-6/Ab, f7-6, G+, c. Woher kommen auf einmal diese schönen Akkorde?
Das angewandte Prinzip ist einfach und kann anhand von dieser Notation gleich erkannt werden: c, c/Ab, c/F, cj7/G (i, i/6b, i/4, ij7/5) Sicher ein schönes Set Akkorde aber im Moment klingen sie noch zu gleich. Kein Problem, nehmen wir sie doch als Ausgangsmaterial und ersetzen einfach ein paar Töne. Zu aller erst muss der Bass nicht doppelt gespielt werden. Also spielen wir ihn mit der rechten Hand entweder gar nicht, oder etwas völlig anderes. Wenn wir ihn nur ein oder zwei Halbtöne ändern, entsteht schon einmal eine ganz besondere Spannung. Dann ersetzen wir einige Töne der Akkorde so lange, bis zwei Folgeakkorde nur noch höchstens zwei gemeinsame Töne teilen. Nach ein wenig Experimentieren wurde dann das daraus: Beispiel 5. Letztendlich verwandelten wir also c, iv, V7, i in i7, VIb-6, iv7, V7+ oder: c, Ab-6, f7, G7+.
Als nächstes hör dir den folgenden Auszug aus einem Lied an, welches ich nahezu vor drei Jahren schrieb: Beispiel 6. Neben der repetitiven Gitarrenmelodie welche entweder gewisse Spannungen betont oder zu ihnen hinführt benutzte ich die selben Tricks wie oben beschrieben. Zunächst nahm ich die Ausgangsakkorde I, vi, vi, V | I, vi, II, V, I | und erweiterte sie um einige Noten, so dass sie sich zwar viele gemeinsame Noten teilen, dennoch interessant klingen. Das Ergebnis war I-9, iv7, V-sus4, V7 | I-9, iv7, II7, V-sus4, V7. (Nebenbei: sus4 steht für eine Quart anstelle der Terz, sus2 für eine Sekunde. Dadurch dass lediglich die Terz verschoben wird und der Rest das Notengerüsts beibehalten wird entstehen so ganz besondere Ganztonspannungen.) Da das Lied in Eb-Dur aufgenommen wurde lesen sich die voll ausgeschriebenen Akkorde wie folgt: Eb-6 (Eb, G, Bb, F), C7 (C, Eb; G, Bb), F7 (F, A, C, Eb), Bb-sus4 (Bb, Eb, F) und Bb7 (Bb, D, F, Ab). Fällt dir auf, wie die selben Leittöne sich durch alle Akkorde ziehen?
Das selbe kann man auch im nächsten Teil des Songs hören: Beispiel 7. Jetzt wurde die durch eine Flöte gespielte Melodie lebhafter und basiert auf anderen Verbindungen: I-9, IV7, ii7, V7 oder Eb9 (Eb, G, Bb, F), Ab7 (Ab, C, Eb, Gb), f7 (F, Ab, C, Eb), Bb7 (Bb, D, F, Ab). Erinnert dich das an etwas?
Lass uns diesen Artikel mit einer weiteren Technik beenden, welche ebenfalls in dem Song vorkommt - der schwere Einsatz von Dominantakkorden. Hör dir die Progressionen während des so-so eingespielten Gitarrensolos an: Beispiel 8. Die Akkorde hier lauten: iii7, vi, ii, V7. Keine wilden Erweiterungen aber eine Tonne von Dominantakkorden. Voll ausgeschrieben würde man die Akkorde so notieren: g7, c, f, Bb7. Das g7 (iii7) bildet hierbei die Dominante nach c (vi), welche Wiederum die Dominante nach f (ii) darstellt. f hingegen ist die Dominante zu Bb7 der V7. Hast du das gesehen? Jeder Akkord ist genau der Dominantakkord seines Nachfolgers. Dieses erweckt den Eindruck besonders flüssiger Verbindungen, da die Quinte sehr stark in unserer westlichen Welt und Musik verankert ist. Du hast vielleicht auch bemerkt, dass die Dominant der Dominant in einer jeden Tonart immer die Sekunde ist. Dies konnte man an allen Hörbeispielen des Songs hören. Folgerichtig lebt der Song gerade zu von den ii-V-i-Verbindungen. Verbindungen wie die ii-V-i (bzw. ii-V-I) und so weiter sind dabei das Basismaterials eines jeden Musikers, der auch nur geringfügig mit Jazz oder jeder anderen modernen Musikrichtung zu tun hat. Schau dir die Akkorde deiner Lieblingssongs mal genauer an. Ich wette, dir werden die ii-V-I-Verbindungen geradezu in die Augen springen. Aus diesem Grunde wird euch Mac im nächsten Newsletter noch mehr über sie erzählen. In der Zwischenzeit hoffe ich, verbringst du einige vergnügte Stunden mit ein paar kreativen Progressions.
Dein,
Dennis