Ein Lied zu schreiben ist für mich wie ein gutes Essen zu kochen. Auf den geschmackvollen Einsatz der richtigen Zutaten kommt es an. Doch wie beim Kochen macht das Komponieren erst so richtig Spaß, wenn man selbstständig vorgehen kann. Ein Rezept ist also sicher eine gute Starthilfe - mehr aber nicht. Darum ist es nicht mein Ziel eine allgemeine Vorgehensweise hier nieder zu schreiben, viel mehr möchte ich einfach darüber schreiben, wie sich meine letzte Komposition entwickelt hat und so vielleicht ein paar allgemeine Gedanken einfließen lassen.
Wie beim Kochen braucht man auch beim Komponieren gewisse Werkzeuge. Welche Werkzeuge zum Einsatz kommen hängt dabei natürlich vom eigenen Geschmack und den individuellen Anforderungen ab. Ich zum Beispiel bin Keyboarder und habe gerne weiße und schwarze Tasten vor mir, komme mit Griffbrettern aber absolut nicht zurecht. Das schöne an Keyboards ist, dass man sie via MIDI miteinander verbinden und kommunizieren lassen kann. Leider klingt MIDI immer so käsig und Käse passt nicht so zu dem Essen, dass ich kochen will. Aber muss MIDI immer nach Käse klingen? Ist Käse nicht eine Zutat statt ein Werkzeug? Richtig, MIDI ist ein Werkzeug, ein Kochlöffel zum Beispiel. Ein Kochlöffel aber macht nicht den Geschmack des Essens aus, nur wie man ihn einsetzt. Aus meiner Erfahrung heraus kann ich also sagen, dass MIDI mit den richtig eingesetzten Tonerzeugern ganz und gar nicht käsig klingt. Im Gegenteil, es erstaunt mich jedes mal aufs Neue wie gut es tatsächlich klingen kann.
Aber der Kochlöffel allein macht auch keinen Weihnachtspudding aus. Was wir noch brauchen sind Töpfe, Schalen, Teller, einen Herd… Oder um ein Lied zu schreiben Zettel und Stift, Witz und später auch einen Computer. Zugegeben, der Computer ist eigentlich überflüssig aber da ich nur zwei Hände habe, muss er für die restlichen Hände herhalten. Der Computer soll später zu meiner Begleitband werden.
Wären wir also über das Vorbereitungsstadium hinaus, drängt sich gleich die nächste Frage auf: Welche Zutaten brauchen wir eigentlich? Und damit sind wir schon inmitten des Schaffensprozesses - dem Komponieren. Am Anfang steht immer die Idee beziehungsweise das Ziel. Mein Ziel war es, ein schönes Weihnachtslied zu schreiben. Nun, was gehört also zu einem Weihnachtslied dazu? Um das zu beantworten muss man natürlich ein paar kennen. Da gibt es durchaus Unterschiede: Auf der einen Seite gibt es die traditionellen Lieder wie Jingle Bells, Stille Nacht oder Oh Tannenbaum. Auf der anderen Seite fallen mir Lieder wie Feliz Navidad von José Feliciano oder Last Christmas von George Michael alias Wham ein. Und dann gibt es da noch die mehr Gospel/Spirituell angehauchten Lieder. Alle haben sie ihre Reize, doch was will ich? Da ich mich nicht so sehr auf eine Richtung festlegen wollte habe ich mir einfach Gedanken gemacht, was diese Lieder ausmacht und wie ich diese Zutaten kombinieren könnte.
Weihnachtslieder werden häufig gesungen. Wie Leroy Anderson so schön demonstrierte, denkt man bei Glockenrasseln in der Percussion section intuitiv an Weihnachten. Die Akkordverbindungen sind nicht zu kompliziert, haben aber Ausbaupotenzial - und so weiter. Solche Gedanken gingen mir einige Tage durch den Kopf, bevor ich auch nur eine Note spielte und eines Tages war es dann geschehen. Ich saß an den Keyboards und das was ich da aus dem Bauch heraus spielte (ein halber Takt nur) riss mich in seinen Bann. Ich wusste, so wird mein neues Weihnachtslied anfangen. Und so entwickelte sich wie so oft aus einem Unfall eine zündende Idee. Eine Idee, die über das kommende Wochenende immer mehr Gestalt an nahm. Schritt für Schritt flogen mir die Ideen nur so zu, schrieb ich sie nieder, probierte aus, löschte wieder aus, probierte weiter. Sogar meine sonst so unmusikalische Freundin musste herhalten und die Rassel spielen. Am Ende war ich wirklich stolz - das Grundgerüst bestehend aus Akkorden und ein paar Melodielinien stand. Aber - und das ist der springende Punkt - ein Lied hatte ich bis dahin noch nicht geschrieben. Um zum Kochen zurück zu kommen: bisher habe ich nur den Teig angerührt, keinen Kuchen gebacken.
Hier kam nun der Computer ins Spiel. Während große Komponisten die Gabe haben, ein ganzes Stück ausschließlich in ihrem Kopf entstehen zu lassen, besitze ich diese Fähigkeit, die ich übrigens fleißig trainiere, noch nicht in dieser Ausprägung. Also machte ich das, was ich immer machte: Ich schaltete den Computer ein. Dann lud ich XG-Works und programmierte eine sporadische Schlagzeugspur. Zu diesem Miniplayback begann ich meine Idee zu spielen. Über einige Umwege kam ich so auch darauf, dass das eigentliche Metrum meines Songs nicht 4/4 sondern 2/4 ist. Das nächste was ich tat, waren Probeaufnahmen. Ich wollte hören, in welche Richtung sich der Song entwickeln würde. So wie wenn der Koch ab und zu den Finger in den Teig steckt, um ihn ab zu schmecken. Und ich muss sagen, ich war begeistert.
Da bis dato aber immer noch nur das Grundgerüst stand, ging ich nun daran, dieses Gerüst mit musikalischen Inhalten zu füllen. Also ein wenig Bass hier, ein bisschen Gitarre dort. Bringen wir doch diese Melodie noch unter. Stückchenweise füllte sich das Gerüst, der Kompositionsvorgang dauerte an. Wichtig ist aber auch, dass ich nicht nur füllte, sondern auch leerte. Ein sparsames Arrangement ist nicht gleich ein schlechtes Arrangement. Ein volles Arrangement ist auch nicht gleich ein gutes Arrangement. Doch was ist ein sparsames Arrangement? Was ich sicher dazu sagen kann, ein eintöniges Arrangement ist es nicht. Von Anfang an, versuchte ich Abwechslung innerhalb des Rahmens eines schönen Weihnachtsliedes einfließen zu lassen. Ein Merksatz, den ich mir dabei immer vor Augen halte lautet: "Der beste Teil eines Liedes ist der, auf den der Zuhörer gespannt wartet." So toll das Gitarrensolo auch klingt, mehr wie zweimal darf es nicht auftauchen… Hier möchte ich auch nochmal darauf hinweisen, dass man mit MIDI durchaus eine schöne Gitarre zaubern kann.
Und welchem Punkt stehe ich jetzt? Nun, zum Zeitpunkt des Schreibens kann ich von mir behaupten, ein Weihnachtslied mit komplettem Arrangement, Text und Uraufführung geschrieben zu haben. Eine MIDI-Sequenz besteht auch schon. Was nun folgt, ist das i-Tüpfelchen. Gewisse Details meiner MIDI-Sequenz möchte ich noch überarbeiten. Dann müssen die MIDI-Spuren AUDIO-Spuren umgewandelt werden, Gesang aufgenommen werden, und das ganze noch abgemischt werden. Ich habe lange hin und her überlegt, ob ich nicht, ein paar Ausschnitte aus meinem Weihnachtslied als Hörbeispiel anfügen soll, bin aber zur Überzeugung gekommen, dass dies keinen Sinn machen würde. Schließlich will ich, dass ihr euren eigenen Weihnachtssong schreibt. Ich versichere euch aber, sobald mein Lied vollständig aufgenommen wurde, werdet ihr aus auf meiner Website als auch im Audiominds-Forum zu hören bekommen.
Euer,
Dennis Schulmeister