Durch ihren antizipativen Charakter nimmt die Einzelwertberichtigung direkten Einfluss auf das bewertete Eigenkapital in der Abschreibungsperiode. Dies wird dadurch erreicht, dass bei der Bildung einer Einzelwertberichtigung das Aufwandskonto „Abschreibungen auf Forderungen" bebucht wird, welches über die Gewinn- und Verlustrechnung den Periodenerfolg beeinflusst.

Doch auch in der Zahlungsperiode hat die Einzelwertberichtigung Einfluss auf das bewertete Eigenkapital. Und zwar immer dann, wenn bei der Auflösung der Wertberichtigung periodenfremde Aufwände oder Erträge entstehen. Während in der Abschreibungsperiode also immer nur negativer Einfluss auf das Eigenkapital entsteht, kann es in der Zahlungsperiode auch zu positivem Einfluss kommen. Saldiert halten sich beide jedoch die Wage.

Bilanzpolitischer Spielraum entsteht nun durch die Wahlfreiheit, welche Forderungen zu welchen Anteilen berichtigt werden. Der nationale Gesetzgeber macht keine spezielle Angabe zur Forderungsberichtigung und beruft sich im allgemeinen § 243 [HGB] nur auf die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung. Doch auch diese werden vom Gesetzgeber nicht vollständig definiert, so dass im Falle der Einzelwertberichtigung kaufmännische Vernunft und außergesetzliche Normen und Erkenntnisse an die Stelle einer gesetzlichen Regelung treten.1

Die direkte Beeinflussung des Periodenerfolgs kann nun im begrenzten Rahmen verwendet werden, um den Erfolg einer wirtschaftlich starken Periode umzuverlagern auf eine eventuell wirtschaftlich schwächere Folgeperiode. Der Unterschied in der zu leistenden Steuerlast zeigt sich nicht in der Umsatzsteuerlast, da die Umsatzsteuer erst korrigiert werden darf, sobald der schwebende Verlust realisiert wurde. In der Ertragssteuer kann sich allerdings ein Unterschied zeigen, da die Handelsbilanz laut §5 Abs. 1a [EStG] maßgeblich für die steuerrechtliche Gewinnermittlung ist.

Doch auch außerhalb des steuerlichen Blickwinkels kann die Erfolgsumschichtung genutzt werden. Hierbei gilt, dass kleinere Personengesellschaften auf Grund des vollständig variablen Eigenkapitals und der geringeren Proportion zwischen Einlagen und Bilanzgewinn größere Einflussmöglichkeiten haben als größere Kapitalgesellschaften, bei welchen das Eigenkapital mindestens eine feste Größe (das Grund- bzw. Stammkapital) beinhaltet. ([VOLL95a])

Folgende Kennzahlen sind hier maßgeblich, welche [VOLL95b] definiert als:

Eigenkapitalquote: FORMEL HIER

Diese gibt Aufschluss über die Kreditwürdigkeit des Unternehmens, da sie den eigenfinanzierten Anteil am Gesamtkapital und damit die Unabhängigkeit des Unternehmens aufzeigt. Höhere Wertberichtigungen auf Forderungen in einem wirtschaftlich starken Geschäftsjahr können, sofern die Forderungen nicht real in der angesetzten Höhe ausbleiben, in einem schwächeren Geschäftsjahr zu außerperiodischen Erträgen führen und somit die Eigenkapitalquote im Folgejahr positiv beeinflussen.

Verschuldungsgrad: FORMEL HIER

Der Verschuldungsgrad zeigt das Verhältnis zwischen fremdfinanziertem Kapital und eigens aufgebrachtem Kapital. Ebenso wie bei der Eigenkapitalquote kann es hier wünschenswert sein, den Verschuldungsgrad in einer zukünftigen Periode positiv zu beeinflussen. Der Effekt ist unabhängig von der gewählten Methode der Einzelwertberichtigung, da das Delkrederekonto weder dem Eigenkapital noch dem Fremdkapital zugerechnet wird. ([DOER05])

[SCHU91a] nennt noch die Deckungsgrade, welche allgemein definiert sind als

FORMEL HIER.

Aus Sicht der Auswirkungen auf den Periodenerfolg und das Eigenkapital gilt das oben gesagte. Im Unterschied zu den oben genannten Kennzahlen handelt es sich hierbei allerdings nicht um eine vertikale Kennzahl, sondern um eine horizontale Kennzahl, welche Aktiva und Passiva gegenüber stellt. Im Falle des Anlagevermögens kann der Wertberichtigung auf Forderungen jedoch keine Einflussmöglichkeit zugestanden werden, da die Forderungen von Wirtschaftsbetrieben in der Regel dem Umlaufvermögen zugerechnet werden.

Aus diesem Grund bietet es sich an, die Einflussmöglichkeiten der Einzelwertberichtigung auf das Umlaufvermögen und die damit verbundenen bilanziellen Auswirkungen zu analysieren. Eine Kennzahl, welche [SCHU91b] definiert, ist die Umlaufintensität als

FORMEL HIER.

Diese gibt das Verhältnis vom Umlaufvermögen am Gesamtvermögen wieder. An dieser Stelle besteht ein Unterschied zwischen der direkten und der indirekten Wertberichtigung. Die direkte Wertberichtigung kürzt den Forderungsbestand und vermindert somit Nenner und Zähler der Kennzahl gleichermaßen. Die indirekte Wertberichtigung lässt die eigentliche Forderung unberührt und hat somit keinen Einfluss auf die Umlaufintensität.

Die gleichmäßige Herabsetzung von Umlaufvermögen und Gesamtvermögen durch die direkte Wertberichtigung verändert in starkem Maße das Verhältnis zwischen den beiden Zahlen. Da mit der steigenden Abnahme der Proportionalfehler immer mehr zunimmt, verschlechtert sich die Umlaufintensität zunehmend mit jeder Wertberichtigung, wie die folgende Zahlenreihe exemplarisch verdeutlicht:

Tabelle 1: Auswirkung der Wertberichtigung auf die Umlaufintensität

Umlaufvermögen

Gesamtvermögen

Umlaufintensität

10.000,0000

20.000,0000

0,5000

9.000,0000

19.000,0000

0,4737

8.000,0000

18.000,0000

0,4444

7.000,0000

17.000,0000

0,4118

6.000,0000

16.000,0000

0,3750

5.000,0000

15.000,0000

0,3333

4.000,0000

14.000,0000

0,2857

3.000,0000

13.000,0000

0,2308

2.000,0000

12.000,0000

0,1667

1.000,0000

11.000,0000

0,0909

Quelle: Eigene Darstellung

Abbildung 1: Graphische Darstellung der Auswirkung auf die Umlaufintensität

BILD HIER

Quelle: Eigene Darstellung

Andere Kennzahlen, wie zum Beispiel der Cash Flow ([VOLL95c]), werden von der Einzelwertberichtigung nicht beeinflusst, da sie davon ausgehen, dass dem Unternehmen nur zahlungsbegleitete Aufwände oder Erträge zur Verfügung stehen. Zahlungsbegleitete Aufwände und Erträge zeichnen sich dadurch aus, dass durch sie monetäre Mittel transferiert werden. Alle nicht-zahlungsbegleiteten Aufwände und Erträge, zu denen auch Wertberichtigungen gehören, werden aus dem Ergebnis entfernt.

Laut [VOLL95c] gibt es zwei Möglichkeiten, den Cash Flow zu ermitteln. Einmal direkt und einmal indirekt. Die Formel für die direkte Ermittlung lautet:

  Zahlungsbegleitete Erträge
- Zahlungsbegleitete Aufwendungen
= Cash Flow

Auch auf die indirekte Ermittlung des Cash Flow hat die Einzelwertberichtigung keinen Einfluss. Sie wird zwar nicht wie bei der direkten Ermittlung pauschal aus der Berechnung ausgegrenzt, sie wird aber aus dem Ergebnis wieder herausgerechnet. Der durch die Forderungsabschreibung beeinflusste Periodenerfolg wird mit den ebenso durch die Berechtigung entstandenen Aufwendungen und Erträgen verrechnet.

  Bilanzgewinn, Bilanzverlust
+ Nicht-Zahlungsbegleitete Aufwendungen
- Nicht-Zahlungsbegleitete Erträge
= Cash Flow

Die an dieser Stelle aufgezeigten Spielräume zur sowohl positiven als auch negativen Beeinflussung der Bilanzen beider Perioden, der Abschreibungsperiode und der Zahlungsperiode, sind natürlich nicht vollständig. Dennoch gibt es mindestens einen Grundsatz, welcher die verfügbaren Handlungsspielräume einschränkt: Der Grundsatz der Vergleichbarkeit und insbesondere der daraus abgeleitete Grundsatz der Bewertungsstetigkeit.

[BAET05d] schreibt dazu folgendes: Nicht nur muss die Eröffnungsbilanz einer Periode übereinstimmen mit der Abschlussbilanz der Vorperiode (§252 Abs. 1 Nr. 1 [HGB]), ebenso müssen auch die Schlussbilanzen zweier Perioden vergleichbar sein, in dem Sinne, als dass eine Bezeichnungs-, Gliederungs- und Ausweisstetigkeit eingehalten wird, wie es §243 Abs. 2 [HGB] fordert. Diese Bedingungen werden durch die Ausführung von Einzelwertberichtigungen nicht verletzt.

Aus dem Grundsatz der Vergleichbarkeit geht aber auch der Grundsatz der Bewertungsstetigkeit hervor, wie er im §252 Abs. 1 Nr. 6 [HGB] codifiziert ist. Dieser setzt voraus, dass die einmal angewandten Bewertungsgrundsätze in künftigen Perioden beibehalten werden. Für die Einzelwertberichtigung heißt das, dass die Auswahlkriterien, nach denen die zu berichtigenden Forderungen selektiert und bewertet werden, beibehalten werden sollen. Auch die Höhe der Abschreibungen sollte nach den selben Regeln festgelegt werden, wie in den Perioden zuvor.

Allerdings, und das stellt [BAET05d] deutlich heraus, handelt es sich bei diesem Grundsatz nur um eine Soll-Vorschrift, keine Muss-Vorschrift. Es besteht also weiterhin die Möglichkeit, von einer bereits gewählten Bewertungsmethode abzuweichen. In diesem Fall muss aber gemäß §252 Abs. 2 [HGB] ein begründeter Ausnahmefall vorliegen. Für große Kapitalgesellschaften kann dies bedeuten, dass sie die Wahl einer abweichenden Forderungsberichtigung im Anhang des Jahresabschluss begründen müssen.


1 Kapitel II, Abschnitt 2 in [BAET05c] bietet eine ausführliche Diskussion über die Bedeutung und Gewinnung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung


Quellenangaben

BAET05c: Prof. Dr. Dr. h. c. Baetge J., Prof. D. Kirsch H.-J., Dr. Thiele S. (2005), Bilanzen, 8. wesentlich überarbeitete Auflage, IDW Verlag GmbH, Düsseldorf, S. 104 - 113

BAET05d: Prof. Dr. Dr. h. c. Baetge J., Prof. D. Kirsch H.-J., Dr. Thiele S. (2005), Bilanzen, 8. wesentlich überarbeitete Auflage, IDW Verlag GmbH, Düsseldorf, S. 117 - 120

DOER05: Döring U., StB Buchholz R. (2005), Buchhaltung und Jahresabschluss, 9. Auflage, Erich Schmidt Verlag GmbH & Co., Berlin, S. 128 - 133

EStG: Autor unbekannt (2007), Wichtige Steuergesetze (Einkommensteuergesetz), 55. Auflage, Neue Wirtschafts- Briefe GmbH & Co. KG, Herne, S. 203 - 450

HGB: Autor unbekannt (2006), Handelsgesetzbuch, 44. Auflage, Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München, S. 1 - 300

SCHU91a: Prof. Dr. Schult E. (1991), Bilanzanalyse, Möglichkeiten und Grenzen externer Unternehmensbeurteilung, 8. aktualisierte Auflage, Rudolf Haufe Verlag GmbH & Co. KG, Freiburg im Breisgau, S. 53

SCHU91b: Prof. Dr. Schult E. (1991), Bilanzanalyse, Möglichkeiten und Grenzen externer Unternehmensbeurteilung, 8. überarbeitete Auflage, Rudolf Haufe Verlag GmbH & Co. KG, Freiburg im Breisgau, S. 127

VOLL95a: Prof. Dr. Vollmuth H. J. (1995), Bilanzanalyse und Bilanzpolitik für die Praxis, 1. Auflage, WRS Verlag Wirtschaft, Recht und Steuern GmbH & Co., Planegg, S. 187 - 188

VOLL95b: Prof. Dr. Vollmuth H. J. (1995), Bilanzanalyse und Bilanzpolitik für die Praxis, 1. Auflage, WRS Verlag Wirtschaft, Recht und Steuern GmbH & Co., Planegg, S. 188 - 193

VOLL95c: Prof. Dr. Vollmuth H. J. (1995), Bilanzanalyse und Bilanzpolitik für die Praxis, 1. Auflage, WRS Verlag Wirtschaft, Recht und Steuern GmbH & Co., Planegg, S. 212 - 213


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